Reisen im Mittelalter in Japan

Einst war Reisen ein großes Abenteuer voller Mühsal und Gefahren. Nicht nur, dass anfangs jegliche Infrastruktur fehlte und man mangels befestigter Wege und Wegweiser, Gast- und Rasthäuser leicht in die Irre gehen oder im Fluss ertrinken konnte, alle Verpflegung mit sich schleppen musste und im Freien zu nächtigen hatte Auch war man dem Wetter – gnadenloser Sommerhitze, wildem Sturm und Regen, Hagel und Schnee sowie diversen Naturkatastrophen nahezu schutzlos ausgeliefert, drohten wilde Tiere, Krankheiten und Räuberbanden, gegen die man sich notfalls mit Waffengewalt zur Wehr setzen musste. Auf Unterstützung durch andere durfte man nicht unbedingt hoffen, denn wer konnte wissen, ob sich hinter der Fassade des freundlichen Mitreisenden nicht ein übler Geselle verbarg. Den einheimischen Dorfbewohnern blieb man als Fremder ebenfalls meist suspekt, so dass man kaum mit ihrer Gastfreundschaft rechnen konnte. Dies habe, so liest man im Hitachi fudoki („Landeskundliche Berichte der Provinz Hitachi, 1. Hälfte 8. Jh.) sogar die Ahnengottheit Mioya no kami am eigenen Leibe erfahren müssen: Als am Berg Fuji ihr die Fuji Gottheit eine Schlafstatt mit der Begründung verweigert, dass zur Erntefeier der ersten Hirse das Haus nicht verunreinigt werden dürfe, belegt Mioya no kami den Fuji mit dem Fluch, seine Spitze möge von da an stets mit Schnee und Reif bedeckt sein. Hingegen wird die Region um den Tsukuba-Berg, dessen Gottheit den Wanderer freundlich bei sich aufnimmt, mit mildem Klima belohnt. Im weitesten Sinn lassen sich drei Arten von Reisen unterscheiden, Dienstreisen der Beamten und Boten, geschäftliche Reisen von Händlern, Lastenträgern, Unterhaltungskünstlern u.ä. sowie Pilger- und Vergnügungsreisen. Für die Regierungsvertreter wurden bereits ab dem 7.Jahrhundert wichtige Wege ausgebaut und später an den Hauptrouten im Abstand von rund 10km Poststationen eingerichtet, an denen man übernachten und die erschöpften Pferde gegen frische Tiere einwechseln konnte. Schlafzeug und Lebensmittel wurden normalerweise nicht zur Verfügung gestellt, so dass all dies im Reisegepäck mitgeführt werden musste, doch sorgten bei Adel und hohen Beamten Gefolgsleute bzw. Personal für den Komfort ihres Herrn und schützten ihn zudem vor Überfällen. Für normale Reisende war es hingegen schwierig, ein Quartier zu bekommen. Wenn sie Glück hatten, fanden sie einen Platz in einer „Almosenherberge“ (fuseya), wie sie ab dem 8. Jahrhundert meist von buddhistischen Mönchen nach dem Vorbild des Mönchs Gyōki (668-749) an als gefährlich eingestuften Orten (Flüssen, Bergpässen usw.) betrieben wurden und unentgeltlich Kost und Logis boten. Ab dem 12. Jahrhundert entstanden außerdem „Holzgebühr-Herbergen“ (kichin-yado), in denen man die Kosten für das Feuerholz entrichtete, Verpflegung jedoch selber mitzubringen hatte; später konnte man oft auch Reis vor Ort kaufen. Als seit dem 11. Jahrhundert religiöse Einrichtungen sich mangels staatlicher Unterstützung nahezu ausschließlich über Spenden der Gläubigen zu finanzieren hatten, entwickelten abseits gelegene buddhistische Tempel und Shintō-Schreine eine Art Werbestrategie, um Pilger anzuziehen. Wie das erfolgreiche Beispiel von Kumano auf der Kii-Halbinsel zeigt, das zuerst vor allem von Kaisern, Ex-Kaisern und Adeligen besucht wurde, trugen dort der Aufbau einer effektiven Pilgerbetreuung durch ortskundige Reiseführer (sendatsu) und die Errichtung von Raststationen und Herbergen (shukubō  „Pilger-Unterkünften“) zum deutlichen Anstieg der Wallfahrer aus der einfacheren Bevölkerung bei. Lange Zeit war Reisen weitgehend ein Privileg des Adels sowie ein Muss für diejenigen, die dienstlich oder zum Erwerb ihres Lebensunterhalts unterwegs zu sein hatten. In der Edo bzw. Tokugawa-Zeit (1603-1867) erfasste die Reiselust jedoch allmählich die breite Bevölkerung, zumal eine stetig wachsende Zahl an Reiseliteratur, die Souvenirs (omiyage), die andere von ihren Reisen mitbrachten, und die vielen Bilder berühmter Orte und Sehenswürdigkeiten (meisho) neugierig machten auf eine bis dato fremde, jedoch plötzlich erreichbar erscheinende Welt vor der Haustür. Hinzu kam, dass nach vielen Jahren kriegerischer Auseinandersetzungen nun das geeinte Japan wirtschaftlich aufblühte und vor allem Teile des städtischen Bürgertums über ausreichende finanzielle Mittel verfügten. Doch durfte keineswegs jeder einfach so losreisen, wie ihm beliebte. Die Tokugawa-Regierung (bakufu) war darauf bedacht, die Bevölkerung – allen voran die Fürsten bzw. Feudalherren (daimyō) – unter Aufsicht zu behalten, um die eigene Macht zu sichern. Ein Kontrollelement bestand in einer 1615 erstmals für einen Teil der Fürsten, ab 1635 für weitere und 1642 für nahezu alle daimyō geltenden „alternierenden Dienstpflicht“ (sankin-kōtai), sich regelmäßig jeweils für eine bestimmte Zeit in der Hauptstadt Edo (dem heutigen Tōkyō) aufzuhalten, dort dem Shōgun ihre Aufwartung zu machen und einen Teil der Familie in Edo als eine Art Pfand zurückzulassen. Für die daimyō entstanden daraufhin an den großen Reiserouten spezielle, mit Repräsentationsräumen ausgestattete Unterkünfte (honjin), in denen sie standesgemäß mit ihrem Gefolge übernachten konnten. Die Kosten für die doppelte Haushaltsführung und für die aufwändigen Reisen vom eigenen Lehnsgebiet nach Edo und zurück bedeuteten für die daimyō eine erhebliche finanzielle Belastung, die die Zentralregierung als Form der Schwächung möglicher Konkurrenten durchaus einkalkuliert hatte. Denn Reisen war normalerweise kein preisgünstiges Vergnügen, auch wenn ein privilegierter Personenkreis, zu dem auch die daimyō und ihre Vasallen gehörten, ermäßigte Preise, bestimmte Regierungsbeamte, Mitglieder von Gesandtschaften, Hofadelige usw. sogar einen kompletten Preiserlass in Anspruch nehmen konnten. Neben Unterbringung und Verpflegung waren es vor allem die Brückenzölle und Transportgebühren für Lastenträger, die Benutzung von Fähren usw., die bei normalen Reisenden zu Buche schlugen. Dabei unterschied sich z.B. bei Flussüberquerungen der Preis für Träger, richtige Brücken waren damals relativ selten, nach Gepäck und Art der Personen und richtete sich auch nach dem Wasserstand. Wenn das Hinüberwaten wegen Hochwasser zu gefährlich war, wurde der Fluss gesperrt, und die Reisenden saßen fest, was ähnlich wie in Europa zur Entstehung von Raststations-Siedlungen führte. Doch insgesamt wurden Reisen dank des Ausbaus der Hauptverkehrswege und des Transportwesens durch die Regierung, aber auch durch Entstehung weiterer Übernachtungsmöglichkeiten, Restaurants, Teehäuser und Souvenirgeschäfte am Wegrand und die steigende Zahl an Händlern, die ihre Waren unterwegs anboten, planbarer, bequemer und sicherer, und häufig waren ganze Gruppen unterwegs.